Antaios-Rundbrief 21/2022
Donnerstag, 19. V.
Liebe Freunde, liebe Leser,
keine Sorge, "wir sind alle noch hier", bloß: Ich war für ein paar Tage in Serbien, hielt Vorträge, gab ein Interview - schaute also mit etwas Abstand auf unser verrücktes Land, in dem die politischen Machtverhältnisse betoniert zu sein scheinen.
Lektüre unterwegs: siehe unten. Antwort an serbische Studenten, wie man Europa retten könne: siehe ganz unten.
Gruß aus Schnellroda,
Götz Kubitschek
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"Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen so gründlich zu betreiben, bis alle schlechte Laune haben": Das ist der Eingangssatz zu Polityckis literarisch-politischer Bestandsaufnahme deutscher Zustände. Er beantwortet gründlich und durchdacht die Frage, "wovon ich rede, wenn ich von Freiheit rede".
Im Frühjahr 2021 hielt es Politycki in Deutschland nicht mehr aus, er begründete seinen Abschied in einem Essay für die FAZ. Das Echo war so groß, daß daraus ein Buch wurde. Er untersucht darin die Auswirkungen aktueller Geschlechter- und Identitätspolitik; er zeigt, wie die Sprache Gefahr läuft, ihre Vielfalt und Unschuld zu verlieren, und wie eine grassierende Gegenaufklärung das Ende unserer Debattenkultur herbeiführt und uns zu entmündigen droht.
Mein Abschied von Deutschland ist das Bekenntnis für wildes Denken über weltanschauliche Gräben hinweg.
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Uwe Tellkamp: Der Schlaf in den Uhren - 32 €
Tellkamps neuer Roman steht bei amazon auf Platz 12, gestern strahlte 3sat eine anderthalbstündige Dokumentation aus, in der Tellkamp ausführlich zu Wort kommt und seine Auffassung von Freiheit der Rede, Selbstzensur, Schere im Kopf, Anpassungsdruck und grüner Wohlfühlblase erläutern kann. Ich sah sie mir an.
Anlaß für diesen Film ist natürlich das Erscheinen von Der Schlaf in den Uhren. Auf 900 Seiten geht es um das Labyrinthische eines unterirdischen Reichs, dessen Ordnungsvorstellungen und Prinzipien der Machtausübung, Verflechtungen von Politik, Staatsapparat und Medien die Hauptfigur Fabian analysiert. Auf seiner Suche nach Ordnung und Sinn kämpft er gegen die Windmühlen der Macht, die Fälschungen der Wirklichkeit, den Verlust aller Sicherheiten – und gibt doch den Traum von einer befreiten Zukunft nicht verloren.
Dieser Kampf ist das Gegenteil eines Abschieds von Deutschland, aber der Antrieb, nicht klein beizugeben, speist sich aus denselben Wurzeln: dem schwer zu fassenden Eindruck, subtiler und abschnürender Macht ausgeliefert zu sein.
Der Schlaf in den Uhren – gebunden, 900 Seiten – hier bestellen!
Ausführlich gewürdigt wird im Film auch Tellkamps Erzählung Das Atelier, erschienen in der Buchreihe EXIL - hier bestellen.
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